Der Preis der Macht

Heiko Kasseckert
Heiko Kasseckert
Fast fünf Monate sind seit der Bundestagswahl vergangen. Jamaika-Sondierungen, Abbruch, Verweigerung, Groko-Sondierungen, Zerreißprobe in der SPD, hauchdünne Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Nachbesserungsforderungen, lange und zähe Koalitionsverhandlungen – und dann endlich ein Ergebnis. Ein Koalitionsvertrag, dessen Inhalt die Grundlage für eine solide Politik sein kann. Die Politik eines Landes, dessen Kraft und Stärke für Europa eine Orientierung und Kompass war und ist. Dessen Authentizität aber unter den Eitelkeiten und dem glücklosen Agieren der handelnden Parteiführungen verschüttet zu werden droht.

Längst hat sich in Europa mit Macron und Kurz eine neue Generation von Politikern auf den Weg gemacht, denen ihre Wähler Vertrauen schenken, und die das Machtgefüge Europas gerade neu justieren. All das wäre kein Problem, wenn die deutsche Regierung nun schnell Fahrt aufnehmen und ihre gestaltende Rolle wieder einnehmen könnte. Aber kaum war der Koalitionsvertrag gedruckt, haben die Ressortverteilung und die geplante Besetzung von Ministerposten jegliche Hoffnung auf einen Aufbruch zunichtegemacht. Für uns Christdemokraten wiegen die Ressortverteilung und die Abgabe des Finanzministeriums sehr schwer. Es bleibt der Beigeschmack, dass man der SPD für den bevorstehenden Mitgliederentscheid einen Rettungsschirm mitliefern musste. Und weil das eben nicht nur mit trockenen Sachthemen gelingt, hat die Ressortverteilung für die SPD eine existentielle Bedeutung. Daran aber eine Regierung scheitern zu lassen? Nein, dafür steht zu viel auf dem Spiel in einem Land, das sozial, wirtschaftlich und demokratisch zu den stärksten Ländern der Welt gehört.

Dass Martin Schulz in diesem Entgegenkommen aber ein Rettungsszenario für sich selbst sieht und als Außenminister in das Kabinett Merkel einziehen will - was er wie so vieles bisher mehrfach kategorisch ausgeschlossen hat - zeigt, wie weit er und die Partei von der Lebenswirklichkeit entrückt sind. Geschenkt seien die von persönlicher Enttäuschung geprägten Zitate Sigmar Gabriels. Aber der Zorn der Parteibasis, dass derjenige, der seiner Partei die größte Niederlage der Nachkriegsgeschichte beschert hat, nun Teil der Lösung sein soll, gefährdet das gesamte Ergebnis der Koalitionsverhandlungen und strapaziert selbst wohlmeinende Christdemokraten, die mit dem Ergebnis und der Ressortverteilung auch eine schwere Last zu tragen haben. Manche sagen auch, den Preis der Macht.

© Heiko Kasseckert

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